Der Anfang eines seltsamen Endes 1

Von da an überschlugen sich die Ereignisse!
Es begann ganz harmlos mit einer Radtour...Geplant war eine etwas weitere Strecke (ungefähr 50 Kilometer). Dingsbums gedachte mit mir eine idyllische Kreisstadt in Richtung Süden zu besuchen. Dort gab es einen großen Volkspark mit allerlei Vergnügungsmöglichkeiten für die unsere Großstadt kein Geld übrig hatte.

Schon zu Beginn war es fast erdrückend heiß. Die Luft flimmerte und ich musste meinen Troll an mich halten, daß er mich nicht frei von der Leber weg phantasieren ließ. Für mich bestand die Luft plötzlich durchweg aus durchsichtigen, lichtblauen Kügelchen, die vom Boden aus in den Himmel tanzten und umgekehrt. Durch sie betrachtet schien die Welt aus einem unwirklichen Geflimmer zu bestehen, das nur scheinbar, mit Hilfe verwirrter Sinne, vorhanden war...

Unser erster Weg führte zum Fluss, wo es einen Damm gab auf dem man gut radfahren konnte. Ich schaltete auf Gleichgültigkeitsmodus, damit die Anstrengung für mich nicht so direkt spürbar wurde. Gleichzeitig erwartete ich den, unter diesen Witterungsbedingungen sonst üblichen Ausbruch, den Dingsbums immer an den Tag legte, wenn ihr etwas unangenehm war. Meistens wurde sie zuerst wütend sobld sie anfing an heißen Tagen am Kopf zu schwitzen. Dann kramte sie alle ihr zur Verfügung stehenden Papiertaschentücher nacheinander aus der von mir transportierten Satteltasche und fluchte erst leise, dann immer lauter werdend, vor sich hin.

Am Schluss dieser Vorstellung hatte sie sich dann für gewöhnlich derart in die furchtbare Misslichkeit ihrer Situation hineingesteigert, daß sie aus heiterem Himmel zu heulen anfing. Ich hatte meist meine liebe Müh', sie zu beruhigen...doch diesmal blieben alle ihre Hirnkrämpfe aus. Mich ergriff ein derart andächtiges Staunen, daß ich glaubte die blauen Kügelchen hätten sich rosa verfärbt und ich watete – geistig gesehen – schon beinahe im Glück, als ich etwa 20 Meter vor mir etwas Schwarzes am Wegesrand sah das irgendwie bedrohlich wirkte.

Bevor ich im Luftgeflimmer ganz genau erkennen konnte was das für ein schwarzes Objekt handelte war ich auch schon heran. Da wurde mir klar, daß es sich um eine für unsere Breitengrade große Schlange handelte. Sie lag zusammengeringelt am Boden, vor dem Ufergebüsch des Flussdamms und hatte das Maul geöffnet. Ihr Maul befand sich genau auf der Höhe meines linken Pedals, das grade ganz unten stand...gleich würde sie nach vorne schnellen und zubeißen, dachte ich. Denn für eine Reaktion meinerseits war es zu spät!

Ich fuhr vorbei und nach mir Dingsbums, aber das schöne Reptil rührte sich nicht. Ich fing also an es für eine Halluzination zu halten, denn Dingsbums hatte sie nicht einmal bemerkt. Später schlug ich Lexikon nach wo stand: „Ringelnattern werden bis zu 150cm lang...sie sind in seltenen Fällen auch durchgehend schwarz“. Aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Als Troll hatte ich jedoch das Gefühl mich in absoluter Sicherheit zu befinden und so erfreute ich mich weiter an den Sensationen des Ausflugs. Ein paar Kilometer nach der Schlange hoppelte vor uns eine Hasenvision direkt über die Fahrstrecke, dann kam, mit gewaltigen Schwingen ein dunkler Vogel am Himmel daher gezogen, den ich sonstwo, aber nicht in Süddeutschland gesucht hätte. Dingsbums sah ihn und kommentierte sein Erscheinen mit den Worten: „Der ist bestimmt aus dem Zoo ausgebrochen!“ Aber was wäre das dann gewesen – ein Kondor? Ich erinnerte mich aber nicht daran daß unsere Stadt in ihrem Zoo einen Kondor vorzuweisen hatte. Macht nichts, sagte ich zu mir, dann eben aus einem anderen Zoo!

In der schönen Kreisstadt angekommen erlebte ich einen Traum aus vielerlei Malmotiven, faszinierend alten Bäumen, einem kleinen Bach mit pittoresken Windungen, die von Blumen bekränzt waren und einer Vielzahl schöner Schmetterlinge, die allesamt um mich herum taumeln wollten. Die Mühe hatte sich also gelohnt. Meine Kamera füllte sich mit bezaubernden Bildern an.

Zur Erfrischung beschäftigten wir uns dann mit Wassertreten und Eisessen, an einem der putzigen Blockhäuschen, um die Tische und Stühle aufgestellt waren. Das Eis schmeckte vorzüglich. Der Schatten unter den alten Bäumen entflimmerte die Luft: Die Realität wurde wieder zu einer solchen und ich begann mich zu entspannen. Von Dingsbums schien heute tatsächlich nichts zu befürchten. Ich atmete hörbar auf!

Nach einem kleinen Bummel durch den Ortskern, die „Historische Altstadt“, oder wie ich oft scherzhaft zu sage pflegte die „hysterische Altstadt“, suchten wir wieder unsere im Park abgestellten Räder auf, um uns auf den Heimweg zu machen, als eine einzige, hohe dunkle Wolke heranzog und uns zwang uns für ein paar Minuten unterzustellen. Sie war praktisch aus dem strahlenden Firmament gekommen, sie goss sich mit deutlich sichtbaren Blitzen und hörbaren, lauten Donnernschlägen aus und verschwand daraufhin rückstandslos, als sei sie nie dagewesen... Ich staunte, Dingsbums fand das normal.

Normal war dann wohl auch, daß sich gleich hinter der Kreisstadt die Luft erneut massiv zu eben jenen Kügelchen verdichtete, die mir schon auf der Anfahrt aufgefallen waren. Hinter uns hörte ich jetzt aber deutlich wie sich etwas, offensichtlich ebenfalls auf Fahrrädern näherte. Das Rauschen der Reifen auf Sand und verdichtetem Kies war unüberhörbar.

Ich drehte mich um und erblickte -: nichts! Kurz darauf war die Luft voller Fledermäuse, obwohl der Abend noch gar nicht gekommen war. „Sieh doch mal“, kreischte Dingsbums, „wie haben wir die denn aufgescheucht“. Irgendwie musste sie wohl recht haben, denn wir waren weit und breit die einzigen Menschen...kurioserweise. Eigentlich sollte doch alles von Ausflüglern überschwemmt sein, sagte ich mir, fand aber keine plausiblere Erklärung für die Ereignisse, als daß ich wieder einmal trollig weit von einer richtigen Einschätzung der Situation entfernt war.

Wir kamen, gegen Ende des Ausflugs, an der Stelle vorbei, an der die Schlange sich geringelt hatte, Natter die sie war. Zu meiner Beruhigung konnte ich feststellen, daß sie sich wohl getrollt haben müsse, denn ihr Sonnenplatz war leer.
Dafür veränderten sich, die mittlerweile aufgetauchten Passanten ein wenig. Einige von ihnen sahen uns völlig entgeistert an, so daß ich schon einen von ihnen fragen wollte, ob etwas an mir nicht stimmte. Schließlich konnten sie ja nicht wissen, daß ich ein Troll bin.

Ihre weit aufgerissenen Augen verwirrten mich maßlos und machten mich fürchterlich unsicher. Dingsbums radelte völlig unbeeindruckt an diesem seltsamen Phänomen vorbei, wie sie das auch bei der nächsten unglaublichen Sensation tat, auf die ich sofort aufmerksam wurde...

Am Wegrand baute sich eine Sagengestalt über 2 Meter hoch auf! Sie hatte nach hinten gekämmtes, pechschwarzes Haar, einen weit ausladenden Oberlippenbart und einen kleinen Spitzbart am Kinn. Dazu trug sie ein strahlend weißes Hemd, eine glänzende schwarze Hose und einen tiefschwarzen Umhang mit roter Innenseite und Stehkragen.

Ich glaub ich werde verrückt, dachte ich, das ist doch die perfekte Teufelsgestalt! Aber ich allein schien sie bemerkt zu haben, denn sämtliche Umstehenden starrten nicht sie sondern ausschließlich MICH an! Das war doch zum verrückt werden!
Komischerweise hatte aber nicht nur ich entdeckt wer da zu sehen war, sondern auch Dingsbums, die heiteren Sinnes am Teufel vorbei radelte, ohne sich etwas dabei zu denken.

Noch auf dem Rad sitzend sprach ich sie auf den Mephisto an und sie erwiderte: „Ja, hab ich registriert – der Mann hat wirklich gut ausgesehen, das muss ich schon zugeben. Aber warum er gekleidet war wie der Teufel kann ich mir nicht erklären. Für diese Klamotten ist es doch heute einfach viel zu heiß“.
In einem kurzen Gespräch kamen wir überein, daß wir ausnahmsweise genau das Gleiche gesehen hatten. Mir mir selbst kam ich überein noch einmal einen Kilometer zurückzuradeln um mich zu vergewissern, daß ich nicht den Verstand verloren hatte, oder dort vielleicht ein Treffen von lustigen Theaterleuten stattgefunden hatte.

Völlig erschöpft schwang ich mich kurzerhand auf meinen Drahtesel und sprintete zu der Stelle der physischen Erscheinung der dunklen Seite der Macht zurück, damit ich mir Gewissheit verschaffen könne über die Dinge die gar nicht so gewesen sein konnten wie sie von uns erblickt worden waren. Und richtig: Der ganze Weg war völlig leer! Keine großäugig glotzenden Passanten, kein Mephisto, kein Garnichts. Nur eine seltsame Stimmung lag über dem Platz.
Und dann sah ich sie: die riesige Krähe – kleiner als ein Kolkrabe, aber eineinhalbmal so groß wie eine gewöhnliche Saatkrähe, die sich genau dort wo der Teufel gestanden hatte, vorsichtig um ihre eigene Achse drehte.

Sie blickte kurz, schelmisch wie ich meinte, zu mir auf und krächzte, als würde sie mich auslachen. Ich stieg ab und bewunderte sie aus nächster Nähe. Aber sie rührte sich nicht. Und als ich ihr bedenklich nahe kam, verdunkelte sich der Himmel ein wenig. Es wurde Abend und das Flair an diesem Ort der fragwürdigen Wunder, drang kalt bis in mein Herz, das mir jetzt eindeutig riet mich aus dem Staub zu machen.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  30

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  30"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  30

Autor: Sonja Soller   Datum: 24.09.2022 9:57 Uhr

Kommentar: Fürwahr, lieber Alf, ein seltsames Ende!!!
Heute?!

Herzliche Morgengrüße aus dem neugierigen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  30

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.09.2022 14:27 Uhr

Kommentar: ja, es war sehr kurios...

Herzl Mittagsgrüße aus dem gierigen Süden
Alf

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